Die gute Schwester Lambertis
Schwester Lambertis
Vor einigen Jahrzehnten hatten die Dernbacher Schwestern, ausgehend vom Mutterhaus, noch viele klösterliche Nebenstellen in unserer Region. Außer unterstützenden Aufgaben im Pfarrdienst, in der Kirche und der Sakristei oder in der Pflege von Paramenten übten sie in den Gemeinden, in denen sie vertreten waren, vor allem soziale und karitative Leistungen an den Menschen aus.
Sie unterhielten in den betreffenden Orten damals seltene Kindergärten, eine Nähschule und eine kleine eigene medizinische Station zur gesundheitlichen Betreuung der Leute. Dort legten sie Verbände nach Unfällen an und verabreichten Dauerkranken vom Arzt verordnete Medikamente. Sie unterstützten in Not geratene Familien und wandten sich Pflegebedürftigen zu. Wegen dieser Aktivitäten waren sie im Dorf gut integriert und anerkannt. Besonders Schwester Lambertis war beliebt im Dorf und fühlte sich dort wohl. Alle die gemeinnützigen Hilfen der Schwestern waren sämtlich unentgeltlich und kostenlos.
Lediglich eine einzige Vergütung stand ihnen traditionsgemäß in den von ihnen betreuten Pfarreien und Dörfern zu. Sie erhielten von den bäuerlichen Familien, und fast alle Bewohner waren Bauern, kostenlos im Herbst des Jahres Roggen und Weizen, beziehungsweise Kartoffeln.
Über Schwester Lambertis sagten die Leute heimlich untereinander, aber dennoch anerkennend und solidarisch mit ihr: „Dat es bestemmd en Kend von bauersch Leit“. Sie war beliebt im Dorf und fühlte sich dort wohl. Dagegen wurde z. B. die Kindergartenschwester als „bestemmd en Kend von bessere Leit“ eingeschätzt.
Die Oberin hatte Lambertis beauftragt, im Spätjahr in den Dörfern das Getreide und die Kartoffeln einzusammeln. Sie zog mit einem kleinen Handwägelchen, das von zwei Jungen gezogen wurde, in verschiedenen Dörfern von Haus zu Haus und sammelte Getreide und Kartoffeln ein. Diese wurden in Säcke gefüllt und mit dem Wägelchen zu Sammelplätzen gefahren. Die Jungen guckten immer, wieviel die einzelnen Familien gaben. Kam ein Bauer z. B. mit einem prall gefüllten Simmer, dann war die Freude groß. Einzelne Familien luden zum Mittagstisch oder zum Essen von belegten Brotscheiben ein, was gern angenommen wurde. Aber mancher Gastgeber schien von der Vorstellung beherrscht zu sein, Ordensschwestern seien sowieso übertreibende Asketinnen, würden nicht „richtig“ essen und ständig fasten. So wurden manchmal mit Schinken oder Wurst überladene Brote der Schwester zwischen den regulären Mahlzeiten vorgesetzt. Sie aß tapfer alles auf, obwohl es ihr zuviel war. Grundsätzlich brauchte sie an materiellen Dingen kaum etwas. Die Ordenstracht war sorgsam gepflegt, die Schuhe, die unter dem Habit hervorlugten, wurden immer wieder repariert, akkurat in Ordnung gehalten und lange benutzt.
Nachdem Schwester Lambertis viele Jahre im örtlichen Kloster lebte, und ihre Berufung und ihren Dienst eifrig versah, erkrankte sie. Sie wurde in einem Krankenhaus in einer benachbarten kleinen Stadt, in dem ebenfalls Ordensschwestern arbeiteten, untergebracht und versorgt. Wegen der Krankheit musste sie menschliche Kontakte meiden, was ihr schwerfiel. Oft stand sie allein im Hof des Krankenhauses. Sie schaute den Leuten aus dem Dorf nach, in dem sie gewirkt hatte, wenn diese vorbeigingen oder vorbeifuhren.
Günter Hummes