Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen?
Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit – B –
Apg 3,12a.13-15.17-19; 1 Joh 2,1-5a u. Lk 24,35-48
Wir feiern Ostern seit der Osternacht, auch am heutigen Sonntag und noch drei Sonntage bis Christi Himmelfahrt.
Für viele ist Ostern allerdings heutzutage nicht mehr als ein zufälliges Datum. Da hat man einige freie Tage, vielleicht auch den ersten längeren Urlaub des Jahres… Aufs Ganze betrachtet, reißt Ostern und seine Botschaft nur die Wenigsten vom Hocker. Schnell hat einem der Arbeitsalltag, der Schulalltag, der Alltag der Familien, das alltägliche Leiden und Sterben, vor allem der schon fast gewöhnlich gewordene Krieg in unserer Welt, Mord und Totschlag und manches andere Bedrohliche im Griff. Die christliche Rede von der Auferstehung Jesu Christi erscheint wie ein eben immer wiederkehrendes Kirchenereignis, das am wirklichen Leben vorbeigeht.
Dazu kommt, auch wenn es fast ein wenig resignativ klingen mag, dass uns Christen richtig ernst nur wenige mit unseren alten Erzählungen vom Auferstandenen und seinen Erscheinungen nehmen. Es scheint ungeheuer schwierig, dieses Geschehen so zu erklären, dass man die Bedeutung begreifen kann. Vielleicht ist das so, weil wir selbst diese Skepsis und diesen Zweifel in unseren Herzen und im Verstand spüren. Dabei wissen wir doch: Mit der Botschaft von Ostern steht und fällt unser ganzer christlicher Glaube.
Das Evangelium dieses Sonntags – es ist dem Lukas-Evangelium entnommen – zeigt, schon Lukas muss Unverständnis beantworten und gegen Missverständnisse ankämpfen.
Da helfen keine Bekenntnisformeln wie die des Paulus beispielsweise, der im Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb: „Christus ist gestorben und am dritten Tag auferweckt worden“ (1 Kor 15,3). Lukas versucht einen anderen Weg, um sich der Problematik zu nähern. Er legt den Jüngern Fragen und Zweifel in den Mund und ins Herz. Damit spiegelt er echte Fragen, wirkliche Zweifel und irrige Deutungen der Distanzierten und der Kritiker wider. In der tadelnden Frage Jesu: „Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen?“ (Lk 24,38), spürt man die wohl heftigen Diskussionen und Fragen in der Gemeinde des Evangelisten.
Obwohl den Christen bewusst ist, dass die Jünger dem Auferstandenen Herrn begegnet sind – das macht ja ihre Zeugenschaft aus – werden sie uns von Lukas als Menschen mit genau den Glaubensschwierigkeiten vor Augen gestellt, die wir ja auch haben: Ist dieser Jesus, der durch verschlossene Türen geht, nur eine Einbildung? Haben die Kritiker vielleicht Recht, wenn sie von einer lächerlichen Geistererscheinung reden?
Wie kann man den Weg des Erkennens von etwas, das sich der menschlichen Vernunft und Wirklichkeitswahrnehmung zu entziehen scheint, besser begreifbar machen?
Lukas stellt die Körperlichkeit und Leibhaftigkeit des Auferstandenen heraus, um jeden Verdacht einer bloßen Einbildung von vornherein auszuschließen. Die Jünger sind zwar schockiert und traumatisiert durch den schrecklichen Tod Jesu, aber sie sind keine Spinner oder Träumer. Deshalb zeigt er auf die erfahrbare Wirklichkeit, in der der auferstandene Herr sagt: „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an ... Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht... Habt ihr etwas zu essen hier?“ (24,39.41). Wie oft haben sie mit dem irdischen Jesus in der Gemeinschaft unterwegs gegessen? Und wer vor aller Augen Nahrung zu sich nimmt, kann doch kein Geist sein.
Die Erzählung des Lukas will eine Klarstellung und Verteidigung sein, die sagt: Jesus ist wirklich auferstanden von den Toten. Dieser Jesus, der unter uns gelebt hat und am Kreuz für uns gestorben ist. „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es!“ (Lk 24,39). Dieser Jesus mit seiner ganzen Geschichte – dafür stehen die Wunden der Kreuzigung – ist im Tod von Gott aufgefangen worden. Deshalb der Blick auf den Leib. Dabei geht es um den ganzen Jesus, nicht nur um die Leiblichkeit als Teil des Menschen, sondern um den ganzen Menschen Jesus in der Durchdringung von Leib, Seele und seiner Geschichte. Denn das macht jeden Menschen aus. Bei der „Auferstehung“ als einem göttlichen Heilsgeschehen gibt es nichts zum Festhalten und zum Konservieren: Das wäre nur „rückwärtsgewandt“ und allein der Vergangenheit verhaftet. Jesus ist als Auferstandener und in seiner Göttlichkeit Lebender ganz vollendet in der Gemeinschaft mit dem Vater, die er immer verkündet hat. Sie zeigt in die Zukunft Gottes mit dem Menschen. Der auferstandene Christus steckt nicht mehr in der „alten Haut“. Die Wunden der Kreuzigung sind die Zukunftszeichen der Vollendung, wie sie schon in den Glaubensgeschichten des „Alten Testamentes“ verheißen wurden. Lukas zeigt so, dass der Glaube an die Auferstehung wie eine Art wachsender Erkenntnisprozess geschieht. Vom „leeren Grab“ bis zur „leibhaften Begegnung“ und der Verbindung mit der „Heilsgeschichte“ aus der Bibel gelingt die Annäherung an das unglaubliche Geschehen der Auferstehung.
Jesus tritt in die Mitte der Jünger: Aber sie, die so vertraut mit ihm waren, erschrecken und haben große Angst. Er spricht sie an: Aber sie erkennen seine so oft gehörte Stimme nicht. Er lässt sich anfassen: Aber die Jünger, die ihn dauernd zu Händen hatten, staunen nur und glauben nicht. Nicht einmal, als er vor ihren Augen isst. Nein, die Augen gehen ihnen erst auf, als Jesus sich ihnen auslegt im großen Rahmen der Geschichte Gottes mit den Menschen. Erst als Jesus sich ihnen erklärt im großen Heilsdrama Gottes mit uns Menschen, das sich schon im Alten Testament niedergeschlagen hat. Dieser Gott, der solche Großtaten vollbringt, der sich so treu zeigt, den Menschen so zugeneigt, dieser Gott kann und will doch diesen Jesus nicht im Tod lassen. Auferweckung, Auferstehung und Überwindung des Todes, das liegt im Lebenstrend dieses Gottes. So öffnet Jesus den Jüngern damals die Augen. Vom Sehen über das Staunen und Sich-freuen zum Glauben werden sie geführt, indem sie sein Wort hören und verstehen lernen und sich in Bewegung setzen lassen zu den Menschen.
Während sie das tun, was Jesus damals tat; während sie Gott lieben und den Nächsten, wie sich selbst; während sie das wieder und weiter tun, erkennen und erleben sie, dass Christus lebt und bei ihnen ist, in ihrer Mitte. Es gelingt ihnen, spurenweise Leben zu gestalten, in dem der Auferstandene vorkommt. Das ist interessant: So also wird Glaube!
Auch heute. Auch für uns.
Euch allen Gottes Segen und bleibt behütet! P. Guido